objektivität von fotos?

 

Vor dem Krieg wurde der Wertpapierhandel an der Pariser Börse noch unter freiem Himmel abgewickelt, unter den Arkaden. Eines Tages machte ich dort eine ganze Serie von Photos, wobei ich mich auf einen Effektenmakler als Motiv konzentrierte.

Bald mit lachender, bald mit ängstlicher Miene und sich ständig über sein rundes Gesicht wischend, redete er mit heftigen Gesten auf die Käufer ein. Ich schickte diese Photos mit dem harmlosen Titel " Schnappschüsse von der Pariser Börse" an verschiedene europäische Illustrierte.

Einige Zeit später erhielt ich Ausschnitte von einem belgischen Journal; zu meinem großen Erstaunen entdeckte ich meine Bilder darin unter der Schlagzeile: "Hausse an der Pariser Börse, Aktien notieren phantastische Preise." Einfallsreiche Untertitel gaben meiner unschuldigen kleinen Reportage die Bedeutung eines finanziellen Ereignisses.

Ich war aber vor Staunen sprachlos, als ich einige Tage später die gleichen Photos in einer deutschen Illustrierten wiederfand, diesmal unter der Überschrift " Panik an der Pariser Börse; Vermögen werden vernichtet, Tausende sind ruiniert."

Meine Bilder illustrierten aufs Beste die Verzweiflung des Verkäufers und die Bestürzung der Spekulanten, die vor dem Ruuin stehen. Es war offenkundig, dass jede Publikation meinen Bildern eine entgegengesetzte Bedeutung gegeben hatte, die jeweils ihren politischen Intentionen entsprachen.

Die Objektivität des Bildes ist nur eine Illusion. Die Kommentare, die man ihm mitgibt, können seine Bedeutung völlig verändern.